Was wir uns wünschen und was die moderne Medizin nicht leisten kann
„In Ruhe sterben - was wir uns wünschen und was die moderne Medizin nicht leisten kann". Ist dies in unserer heutigen Zeit überhaupt noch möglich? Sich dieser Frage stellend und Lösungen suchend widmet sich das Autorenteam Gronemeyer und Heller in diesem Buch.
Reimer Gronemeyer, Jahrgang 1939, hat sich als promovierter Theologe und Professor für Soziologie der Universität Gießen in den vergangenen Jahrzehnten als vielgefragter Redner auf Tagungen und Kongressen mit Themen wie Aidsbekämpfung, Palliativmedizin, Hospizbewegung sowie Demenz beschäftigt. 2012 schrieb er „Der Himmel, Sehnsucht nach einem verlorenen Ort“ und 2013 „Das 4. Lebensalter, Demenz ist keine Krankheit“.
Andreas Heller, Jahrgang 1956, hat unter anderem Theologie, Philosophie sowie Gesundheits- und Pflegewissenschaften studiert. 2007 wurde er auf den europaweit ersten Lehrstuhl für Palliative Care und Organisations-Ethik der Alpen Adria Universität Klagenfurt/Wien/Graz als Professor berufen. In Deutschland und Österreich ist er als Berater in Führungsgremien der Caritas, der Diakonie und verschiedener Krankenhausgesellschaften tätig.
Mehr und mehr wird das Sterben zu einem technokratisch verwalteten Vorgang abgestempelt.
Kliniken sind auf Wirtschaftlichkeitsaspekte ausgelegt und Hospize unterliegen einem permanenten Zwang zur Professionalisierung. Unser Gesundheitssystem kennt nur noch die langwierige, schmerzhafte Therapie alter, todkranker Menschen und nicht mehr die Begleitung dieser Personen. Therapie bringt Einnahmen, Begleitung verursacht Kosten.
Aus Sicht von Reimer Gronemeyer und Andreas Heller bedarf es des Einspruches und sie fordern daher: Keine neuen Versprechen der Pharmaindustrie sind notwendig, keine endlosen Therapieversuche, keine neuen technischen Verfahren. Vielmehr muss die Medizin endlich in die Schule des Sterbens gehen und wieder lernen, dass Sterben und Tod ein Teil des Lebens sind. Dafür ist ein Gesundheitswesen notwendig, welches sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an betriebswirtschaftlichen Kalkulationsmodellen orientiert. Ein Leben in Würde ist ebenso wenig möglich wie ein Sterben in Würde ohne sorgende Wärme anderer Menschen.
Der Tod ist nach wie vor ein stark tabuisiertes Thema in unserer Gesellschaft. Er passt nicht in unsere derzeitige „Fancy Gesellschaft“! Wie seitens der Autoren beschrieben wird dieser letzte Lebensabschnitt daher häufig und überaus gerne an die „Profis“ übergeben und dank der deutschen „Regelungskultur“ weit von sich geschoben. Auf 304 Seiten gehen sie wissenschaftlich aufbereitet mit dieser Materie ins Detail. Sprachlich anspruchsvoll werden viele damit verbundene Elemente beleuchtet, die in einem ersten Ansatz einem bei diesem Thema nicht unbedingt gleich in den Sinn kommen. Man erkennt in diesem Bereich deutlich, wie schnell man mit ethischen Grundfragen konfrontiert wird. Je tiefer der Leser in die Materie eindringt, umso bedrückender wird es für einen zu sehen, was in diesem Abschnitt, den ein jeder von uns mehr oder weniger vor sich haben wird, noch alles auf uns zukommt oder zukommen kann.
Möge der Wunsch der Autoren nach einer Besinnung der Einzelnen auf soziale Grundwerte und menschlicher Wärme in Erfüllung gehen und nicht in extremer wirtschaftlicher Perfektion enden.
304 Seiten, Pattloch Verlag, 19,99 Euro