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Liebe Mauer

Genau zwanzig Jahre ist es nun her, dass die Berliner Mauer fiel, und immer öfter wird einem die Frage gestellt „Wo warst Du, als die Mauer gefallen ist?“. Doch inzwischen ist eine Generation herangewachsen, die von der Mauer überhaupt nichts weiß, und wenn doch, dann nur das, was gerne in fröhlich-freundlichen „Ostalgie-Shows“ gezeigt wird. In solchen Programmen ist keine Rede von Diktatur und Unrechtsstaat.
Dass gute Unterhaltung auch mit einem ernsten Hintergrund funktioniert, zeigt einmal mehr Peter Timm mit seinem neuesten Streifen „Liebe Mauer“, der nicht nur Regie geführt sondern auch das Buch geschrieben hat.
Alles geht los als Studentin Franzi, frisch getrennt von ihrem Freund, der lieber in Heidelberg studiert, nach Berlin zieht. Mit ihrem Rucksack reist sie per Anhalter nach Kreuzberg, wo sie eine günstige Altbauwohnung für 100 DM kalt bezieht, die direkt gegenüber der Berliner Mauer liegt. Auf dem Grenzturm auf gleicher Höhe der Wohnung versieht der junge Sascha seinen Dienst, weil er aufgrund seines Abiturs von 1,8 nur auf diesem Umweg an einen Studienplatz für Medizin kommen kann. Dessen Vater war auch „Grenzer“ und ist Parteimitglied mit Leib und Seele, Sascha sieht seinen Dienst nur als notwendiges Übel. Als Franzi von einem Einkauf aus dem Ostteil zurück kommt, begegnet sie Sascha zum ersten Mal und verliebt sich in ihn. Schnell wird das bemerkt und Geheimdienste auf beiden Seiten interessieren sich für das junge Paar. Zum Glück sieht Saschas Freundin Franzi ähnlich und so tauschen die beiden Frauen die Identitäten und erleben auf beiden Seiten, was es bedeutet, im anderen Teil Deutschlands zu leben, und was es heißt, aufzufliegen. Franzi wird von der grandiosen Felicitas Woll ("Berlin, Berlin") gespielt, den jungen Grenzer Sascha spielt Maxim Mehmet ("Fleisch ist mein Gemüse").
„Liebe Mauer“ ist ein Stück ernste deutsche Geschichte in leichte Unterhaltung gehüllt, ohne aber den Tiefgang zu verlieren. Niemals droht der Film seicht zu werden oder in Klischees abzurutschen, der ernste Hintergrund der ostdeutschen Diktatur klingt immer wieder drastisch an.
Ein wunderschöner Liebesfilm mit historischem Hintergrund, der Deutschen aus Ost und West jedes Alters bedenkenlos zu empfehlen ist.

Pascal May