Unzählige Serien überschwemmen jährlich den Markt, vor allem die aus den USA. Seitdem die großen Streaming-Dienste jede Menge Nachschub brauchen, um ihre Kunden und Abonnenten bei Laune zu halten, mischen auch die mit und produzieren eigene Serien. Nun haben sie angefangen, nationale Serien mit großem Aufwand für den internationalen Markt zu produzieren. Darunter ist auch "Marseille - Staffel 1", die erste französische Produktion der Bezahl-Plattform Netflix, die nun auch auf DVD und BluRay in Deutschland zu sehen ist.
Robert Taro herrscht seit 20 Jahren als Bürgermeister über Marseille. An der Spitze seiner Stadt zu stehen ist ihm wichtiger als alles andere. Nun wird es aber langsam Zeit, sich zur Ruhe zu setzen und der nächsten Generation das Regieren zu überlassen. Natürlich hat er bei Zeiten vorgesorgt, dass die Geschicke der Stadt auch in seinem Sinn weiter geführt werden, und hat seinen Protegé und Stellvertreter Lucas Barrès als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Ausgerechnet der stellt sich nach Jahren loyaler Arbeit gegen Taro, so dass sich der Bürgermeister gezwungen sieht, erneut bei der Wahl anzutreten - gegen Barrès.
Auf beiden Seiten werden mehr oder weniger dubiose Mittel eingesetzt, um die Macht über die drittgrößte Stadt Frankreichs zu behalten oder zu bekommen, da müssen auch mafiöse Strukturen oder Leichen im Keller politischer Gegener herhalten, um dieses Ziel zu erreichen. Beide Seiten ahnen nicht, wie sehr sie miteinander verstrickt sind, auch wenn sie noch so verschieden sind. Ein erbitterter Kampf um Macht beginnt, der am Ende nur Verlierer haben kann.
Die achtteilige Serie liegt auf zwei DVDs in der deutschen und französischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. An Bonus-Material bietet die DVD lediglich ein kurzes Promo-Feature.
Die Serie handelt zwar nur von einem Bürgermeister einer Großstadt, wird aber gerne mit dem britischen Original "House Of Cards" verglichen, was vermutlich auch daher rührt, dass der Sender Netflix gerne seine eigenen Produktionen miteinander vergleicht. Ebenso könnte man "Marseille - Staffel 1" mit der deutschen Produktion "Die Affäre Semmeling" von Dieter Wedel vergleichen.
Ganz klar ist aber, dass bei "Marseille - Staffel 1" die Besetzung perfekt ist, denn bereits beim Schreiben der Drehbücher hatten die Autoren Gérard Depardieu und Benoît Magimel vor Augen. Beide füllen ihre Rolle mit überbordendem Ego aus und machen ihre Darstellung zu jeder Zeit sehr glaubhaft. Mit der Rolle des Bürgermeisters Taro schafft Depardieu das lange erhoffte und verdiente Comeback, nachdem er es in letzter Zeit nur noch mit seiner politischen Gesinnung und einer angeblichen Freundschaft zum russischen Präsidenten Putin in die Schalgzeilen geschafft hatte.
Doch auch die Nebenrollen sind bestens besetzt, seien es die Bewohner der Cité oder die politischen Freunde und Gegner, hier ist dem Casting Besonderes gelungen.
Der Plot lässt dem Zuschauer keine andere Chance als immer weiter sehen zu wollen, bis die acht Folgen durch sind. Bis zum Ende werden die Zuschauer durch zahlreiche Höhen und Tiefen geführt, mit Überraschungen und jeder Menge Intrigen, Sex und Drogen konfrontiert, die das politische Leben vor und hinter den Kulissen erschreckend glaubhaft machen.
Keine Frage, dass diese Serie in eine zweite Staffel gehen muss, und so gab Netflix bereits vier Wochen nach Erstausstrahlung von Staffel 1 grünes Licht für eine Fortsetzung, die von den Fans schon sehnsüchtig erwartet wird.
"Marseille - Staffel 1" ist ein starkes Stück Fernsehproduktion, das einmal mehr zeigt, dass die USA nicht das Zentrum der Fernsehwelt ist, und dass es die Europäer mindestens ebenso gut schaffen, herausragendes Fernsehen zu produzieren. Ganz bestimmt ist "Marseille" auch ein sehr interessanter und offener Blick in die Politik, wie es zuvor nur die dänische Produktion "Borgen" oder eben Dieter Wedel mit "Die Affäre Semmeling" geschafft hat.
Mit "Marseille - Staffel 1" liegt europäisches Qualitätsfernsehen vor, wie man es sich nur wünschen kann. Spannend, mitreißend und herausragend. Diese Serie sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen!
F 2016, 326 Minuten
mit Gérard Depardieu, Benoît Magimel