Es ist wie bei der Frage, wer denn nun zuerst da war: die Henne oder das Ei.
Immer wieder werden die Medien beschimpft, immer reißerische Bilder zu zeigen, um Quote oder Auflage zu machen. Gleichzeitig gibt es dafür aber einen Markt von Lesern und Zuschauern, die genau das von den Medien erwarten, und mit immer detaillierteren Informationen und Bildern bedient werden wollen. Nachdem es immer mehr Fernseh- und Radiosender gibt, und nicht zuletzt wegen der sehr schnell verbreitbaren Nachrichten per Social Media, geraten vor allem die kleinen Sender und Zeitungen unter Druck, ihrer Klientel das Besondere zu bieten, um sie an sich zu binden. Dabei lassen sich ethische Grundsätze kaum noch aufrecht erhalten, Persönlichkeitsrechte bleiben außen vor und auch die Privatsphäre findet nicht mehr statt. Alles für die Quote.
Ein aufwühlendes Beispiel für diese Entwicklung ist der Film "Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis".
Louis Bloom hält sich als Kleinganove und Hehler irgendwie über Wasser. Er ist ehrgeizig und möchte mehr erreichen, zumindest möchte er eine Festanstellung. Nach diversen krummen Geschäften, bei denen er gestohlenes Metall verhökert, kommt er eines Nachts zu einem Autounfall, an dem schon ein Kameramann das Geschehen im Bild festhält. Solche Kameraleute bezeichnen sich selbst als "Nightcrawler", kleine Kamerateams, die durch die nächtliche Stadt fahren, um einen Unfall oder ein Verbrechen zu filmen, am besten noch vor Eintreffen der Polizei. Bloom sieht das Potenzial, mit dieser Arbeit schnell viel Geld zu verdienen, und besorgt sich eine Kamera und einen Polizeifunk und heuert sogar einen Beifahrer an, der ihm mittels GPS den schnellsten Weg zum Tatort aufzeigen soll. Er lernt schnell und nach nur wenigen Anfängerfehlern bietet er sein Material zum ersten Mal einem kleinen Fernsehsender an, der sein Material kauft. Nun hat er Blut geleckt und will immer schneller immer mehr Material liefern, die besten Bilder, die es zu haben gibt. Die rücksichtslose Nachrichtenchefin des Senders ist begeistert von seinen Aufnahmen. Als für Bloom ein Unfall nicht spektakulär genug erscheint, verändert er unbemerkt den Tatort, und schafft so neue Nachrichten, womit er sogar seine Chefin überrascht. Bald ist er so weit, dass er sogar Nachrichten inszenieren will, und dabei jede Form von Gewissen verliert.
Der Film liegt auf BluRay in der deutschen und englischen Sprachfassung (DTS-HD 5.1) vor. An Extras finden sich leider nur ein fünfminütiges Making-Of sowie verschiedene Trailer.
"Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis" überzeugt durch ein überragendes Drehbuch, das zurecht für den Oscar nominiert wurde, und fesselt den Zuschauer von Anfang an. Die Spannung, die im Film aufgebaut wird, wechselt sich stetig ab mit Ekel, Ohnmacht und Abscheu ab, die den Ideen und dem Tun von Louis Bloom entgegen gebracht werden. Jake Gyllenhaal, der für diese Rolle abgenommen und die Nacht zum Tag gemacht hat, um überzeugender zu wirken, spielt den wirren Soziopathen, der alles für seinen Erfolg tut, nicht nur, er lebt ihn mit jeder Faser seines Körper. Rene Russo ergänzt das herausragende Spiel in ihrer Rolle der Nachrichtenchefin Nina, die auch nur wenige Skrupel kennt, und auch die Nebenrollen sind bestens besetzt. Die Musik wird wohldosiert eingesetzt, die Schnitte erfolgen nicht zu schnell, und die Kameraführung durch Los Angeles bei Nacht ist vor allem während der schnellen Fahrten zum Tatort oder bei Verfolgungsjagden atemberaubend.
Die Frage nach der Henne und dem Ei oder den Medien und dem Zuschauer wird auch in "Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis" nicht beantwortet, der Film zeigt aber die Folgen der steten Hetze nach Auflage und Quote sehr deutlich. Das geniale Drehbuch von Dan Gilroy, der bei dem Film auch Regie geführt hat, hält Medien und Publikum den Spiegel ihrer Sensationsgier vor und zeigt in eindrucksvollen und schockierenden Bildern, wie weit Nightcrawler bereit sind zu gehen, um diese Gier zu befriedigen. Jede Nacht aufs Neue.
Jake Gyllenhaal zeigt in "Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis" die bisher beste Performance seiner Karriere, für die er den Golden Globe verdient gehabt hätte. Der Psychothriller bietet keine leichte Unterhaltung, aber Hochspannung über die knapp zwei Stunden Handlung sind garantiert, und wird niemanden unberührt lassen.
USA 2014, 117 Minuten
mit Jake Gyllenhaal, Rene Russo