Bereits bei seiner Weltpremiere während der diesjährigen Filmfestspiele in Cannes hatte der deutsche Film "Toni Erdmann" für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Kritiker und Publikum sahen den dritten Langfilm von Regisseurin und Drehbuchautorin Maren Ade als Gewinner der Goldenen Palme, doch bei der Preisverleihung wurde er übergangen. Danach hat er das Filmfest München eröffnet, und erneut war "Toni Erdmann" in aller Munde. Zu diesem Zeitpunkt waren die Filmrechte bereits in 55 Länder verkauft, darunter in die USA.
"Toni Erdmann" hat seither zahlreiche Preise einsammeln können, darunter den Europäischen Filmpreis in gleich fünf Kategorien. Inzwischen wurde bekannt, dass es der Film auf die Shortlist der Auslands-Oscars geschafft hat, und ist nun sogar im Rennen um den Oscar für den besten Film. Für einen Golden Globe Award ist er bereits nominiert.
Doch was ist das für ein Film, der Deutschland bei Filmfestivals rund um den Globus vertritt und den knapp 700.000 deutsche Kinogänger gesehen haben?
Ines hat ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater Winfried, einem pensionierten Musik-Lehrer, der scheinbar nichts und niemanden richtig ernst nimmt, seine 68er-Ansichten noch immer denkt und lebt und sich an seinen skurrilen Scherzen erfreut.
Nachdem sein Hund gestorben ist, besucht er unangekündigt und sehr spontan seine Tochter in Bukarest, die als Unternehmensberaterin arbeitet. Seit Wochen bereitet sie einen großen und für sie sehr wichtigen Deal vor, den ihr Vater zu gefährden scheint. Winfried reist offenbar ab, bleibt aber in Ines' Nähe und taucht immer wieder in ihrer Nähe auf. Immer wieder bringt er sie in Verlegenheit, unter anderem als er sich als deutscher Botschafter ausgibt und zusammen mit seiner Tochter, die er als seine Sekretärin ausgibt, ein Lied trällert. In diesen Situationen scheint eine Annäherung der beiden kaum mehr möglich.
Der preisgekrönte Film liegt auf DVD in der deutschen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor. Extras findet man auf einer Bonus-DVD, darunter ein Audiokommentar sowie Interviews mit Regisseurin Maren Ade und den beiden Hauptdarstellern Sandra Hüller und Peter Simonischek, Outtakes, Specials aus Cannes und Bukarest, und Teaser und Trailer. Der Erstauflage ist zudem ein Postkarten-Set wie auch das Filmplakat beigefügt.
Um "Toni Erdmann" anzusehen, muss der Zuschauer reichlich Zeit und Geduld mitbringen. Die Laufzeit beträgt auf DVD zwei Stunden und sechsunddreißig Minuten, was nicht sonderlich verwundert, nachdem während der knapp viermonatigen Dreharbeiten 120 Stunden Filmmaterial entstanden sind. Geduld auch deswegen, weil der Film sehr langsam erzählt wird, von schnellen Schnitten wird gänzlich und von Musik im Film fast ausschließlich abgesehen. Man kann allein schon durch die Länge der Aufnahmen erahnen, dass Ines und Winfried ein sehr angespanntes Verhältnis zueinander haben.
Dennoch ist es Sandra Hüller und Peter Simonischek gelungen, die beiden Hauptrollen in ihrer ganz eigenen Art sympathisch darzustellen, und so treibt einen die Neugierde, was sich Winfried bzw. Toni noch so alles einfallen lässt, um sich seiner Tochter wieder anzunähern und wie Ines das alles aushält.
Regisseurin Maren Ade hat "Toni Erdmann" nach ihrem eigenen Drehbuch sehr behutsam inszeniert, und das von der ersten bis zur letzten Minute des Films. Alles zusammen macht diesen Film so charmant, dass man ihm verfallen kann, wenn man es denn zulassen möchte.
Hat man sich durch mehr als zweieinhalb Stunden Arthouse-Film durchgerungen, wird man den Film mit einem wohligen Gefühl beenden und sich noch lange daran erfreuen. Und genau das macht ihn aus, dass er eben nicht beliebig ist wie viele andere Produktionen der letzten Zeit, sondern das Zeug dazu hat, ein ganz besonderes Kleinod des deutschen Films zu werden. Die Aufmerksamkeit der Filmwelt hat er bereits geweckt, nun können auch die Heimkino-Besitzer folgen. Es lohnt sich auf jeden Fall!
D/A 2016, 156 Minuten
mit Sandra Hüller, Peter Simonischek