Tagebuch einer erschöpften Mutter
Ellen, Mutter zweier Kinder, gerade 39 geworden, blickt mit Schrecken ihrer Zukunft entgegen. Ständig wird sie gefragt, ob sie nicht auch mal zum Yoga für Fortgeschrittene kommen will. Doch das widerstrebt ihr ebenso wie auf Partys zu gehen und so tun zu müssen, als ob man nach einem Gläschen Pinot Grigio bereits ein Schwipschen hätte. Sie hat weder Lust auf derartiges, geschweige denn sich dem dauernden Wettbewerb für den Titel der „Super-Mami“ unter den Schulmüttern auszusetzen. Ihr geht es gegen den Strich auf dem Schulhof rumzustehen und sich die tollen Gespräche der anderen Mütter anzuhören, mit denen diese mit den außerplanmäßigen Aktivitäten ihrer Jüngsten angeben oder mit ihrem neuesten Familienurlaub zu beeindrucken versuchen. Als „Super-Mami“ gilt man nur, wenn man es schafft, einen möglichst widerlich schmeckenden Snack zu kreieren, der aufzeigt, wie gesund und gut entwickelt die Kinder sind. Zusatzpunkte bringt eine besonders lange Zubereitungszeit. Eine Mindestkonstellation ist beispielsweise ein über Nacht in Mandelmilch eingeweichter Chiasamen, und je ekelhafter und exotischer die Zutaten sind, desto besser der Score. Ellen dagegen greift lieber bei jeder Gelegenheit zu einem großen Glas Wein und fragt sich, wo bei all dem Trubel eigentlich sie selbst bleibt. In ihrem Bestreben in diesem Schuljahr eine mustergültige Mutter zu sein, will sie dieses Mal alles anders und perfekter machen. Doch die Realität schaut doch wieder etwas anders aus. Bisher hat sie weder die Tupperdosen für die Lunchpakete besorgt, noch die Jiu-Jitsu Kurse für die Kinder gebucht. Der Geschmack von grünem Tee ist sehr gewöhnungsbedürftig und das mit den französischen Zöpfen und dem Retro-Lidstrich will auch nicht so richtig klappen. In ihren Augen sind dies allerdings auch vernachlässigbare Details, die nicht zwingend notwendig sind. Vielmehr besinnt sie sich nach all diesen tagtäglichen Problemen auf ihre bisher noch nicht umgesetzte geniale Idee aus früheren Jahren. Damit will sie ihren großartigen Masterplan in die Tat umsetzen und alles wird gut.
Die Autorin Gill Sims hat mit ihrem Überraschungsbestseller „Why mummy drinks“ ganz Großbritannien im Sturm erobert. Ihr Buch ist innerhalb weniger Wochen zum meistverkauften Hardcover des Jahres 2017 geworden. Ebenfalls betreibt sie auf Facebook den Kultblog „Peter and Jane“. Hier dokumentiert sie mit unnachahmlichem Humor die weniger beglückenden Seiten des Familienlebens. Sie lebt mit ihrem Mann, zwei Kindern und einem schwer erziehbaren Border Terrier in Schottland. Sie trinkt gerne Wein, verschwendet Zeit in den Sozialen Netzwerken und versucht mehr oder weniger erfolglos, ihre verlorene Jugend erneut zu finden. Größtenteils jagt sie zuweilen ihrem Hund bei einer seiner zahlreichen Fluchtversuche hinterher. „Mami braucht ‚nen Drink“ ist ihr erster Roman. Momentan schreibt sie bereits an einer Fortsetzung.
Gill Sims bringt in ihrem ersten Roman eine herrlich urkomische Form des selbstironisch britischen Humors auf exzellente Weise an die Frau bzw. sicherlich auch an manchen Mann. Sie nimmt in ihrer Alltagsdarstellung einer britischen Familie kein Blatt vor den Mund, und es ist herrlich wie chaotisch normal mit welch Alltagsproblemen diese Familie lebt. Dem gegenüber stehen die zumindest nach außen hin perfekten Mütter in ihrem Umfeld. Das Buch ist in Tagebuchform über einen Zyklus von ihrem neununddreißigsten zum magisch vierzigsten Lebensjahr geschrieben. Aufgeteilt in zwölf Monate werden darin entsprechende Tageseinträge beschrieben. Mit einem gewissen Augenzwinkern kann sicherlich auch unsere deutsche „Mamiwelt“ so manche Übereinstimmung erkennen.
Dieses Buch ist eine ideale lustige Entspannungslektüre für selbstgestresste erschöpfte Mütter und gleichzeitig der lustigste Beweis, dass überall nicht alles perfekt ist und auch nicht sein muss. Herrlich zu lesen. Auch für Väter voll geeignet, um ihnen zu zeigen, was während ihrer Arbeitsabwesenheit so alles daheim und im Umfeld abgeht.
352 Seiten, broschiert, Eisele Verlag, 15,00 Euro