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Alles was kommt

Am liebsten spielt die französische Ausnahmeschauspielerin Isabelle Huppert kaputte oder zerstörte Charaktere, und das am laufenden Band. Kaum kommt man mit all den Filmen hinterher, die sie in den vergangenen Jahren gedreht hat und für deren Rollen sie immer wieder mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft wird. Einen Neuzugang für das Heimkino stellt "Alles was kommt" dar, in dem "la Huppert" einmal mehr in einer starken Rolle brilliert.

Nathalie ist mit Heinz verheiratet und hat mit ihm zwei erwachsene Kinder. Seit 25 Jahren ist die Philosophie-Lehrerin mit dem Lehrer verheiratet. Nebenher veröffentlicht Nathalie philosophische Schulbücher und wird ständig mit den Anrufen ihrer einsamen Mutter terrorisiert.
Eines Tages eröffnet ihr Heinz, dass er sich in eine andere Frau verliebt hat und mit ihr zusammenziehen will. Fast gleichzeitig bekommt sie von ihrem Verlag eröffnet, dass ihre Buchreihe nicht fortgesetzt wird und ihre bisherigen Bücher nicht mehr neu aufgelegt wird. Nathalies Mutter muss ins Heim, wo sie kurze Zeit später stirbt.
Zunächst hat Nathalie den Eindruck, dass ihr bisher wohl geordnetes Leben zerbricht, doch mit der Zeit gewöhnt sie sich an ihr neues Leben und den Gedanken dieser neuen Freiheit. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie wirklich frei und genießt diesen Zustand.

Der Film liegt auf DVD in der deutschen (Dolby Digital 5.1 und Dolby Digital 2.0) und französischen (Dolby Digital 5.1) Sprachfassung vor. An Extras bietet die Silberscheibe eher wenig, denn außer einem arte-Interview mit der Regisseurin ist da nichts zu finden.

Die französische Regisseurin Mia Hansen-Løve thematisiert in "Alles was kommt" das Leben einer erfolgreichen Frau über 50, die erstmals in ihrem Leben erfährt, was Freitheit wirklich bedeutet, von der sie in ihren Unterrichten und Büchern bisher nur philosophiert hat. Als Tochter einer Philosophie-Lehrerin hat sie das Drehbuch auch gleich selbst geschrieben, und schon beim Schreiben an Isabelle Huppert als ideale Besetzung gedacht. Die sucht ihre Rollen nur selten nach dem Drehbuch aus, vielmehr wählt sie ihren nächsten Film nach dem Regisseur aus, der ihn realisieren möchte, und spielt dann, was sich gerade ergibt. Das macht sie zu einer der besten Schauspielerinnen Frankreichs, die zurecht mit Nominierungen und Preisen überhäuft wird.

"Alles was kommt" ist ganz sicher kein leicht zugänglicher und besonders unterhaltsamer Film, vielmehr wird der Eindruck vermittelt, dass der Streifen für die Zielgruppe der Ü50-Frauen gedreht wurde, deren Leben gerade eine Zäsur erfahren hat. Ferner kommt der Film mit nur sehr wenig Musik aus und hat anfangs eine eher sperrige Erzählstruktur, was ihn nicht attraktiver macht. Wieso dieser Streifen mitunter als Tragik-Komödie bezeichnet wird, erschließt sich auch bei genauem Hinsehen nicht. Dennoch wurde er bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2016 mit einem Silbernen Bären für die Regie ausgezeichnet. Ganz klar lebt "Alles was kommt" von einem äußerst starken, fast durchgehend emotionslosen Spiel von Isabelle Huppert.

Leichte Unterhaltung für den Samstag Abend ist dieser Film bestimmt nicht, und er wird auch manchen Huppert-Fan verschrecken, die keinen Zugang zu dieser Story finden können. Dennoch ist "Alles was kommt" ein starkes Stück Kino von und für starke Frauen.

Pascal May
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