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Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)

Geschichten über alternde Schauspieler, die keine oder nur noch kleine Engagements bekommen und den guten alten Zeiten nachtrauern, gibt es unzählige, viele davon wurden für die Bühne oder die große Leinwand geschrieben. Eine Story mehr in dieser Reihe des verblassenden Ruhms bietet der Film "Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)", der zahlreiche Preise einheimsen konnte und es bei der diesjährigen Oscar-Verleihung auf stolze neun Nominierungen brachte, wovon er immerhin vier gewinnen konnte.

Die guten Zeiten von Schauspieler Riggan Thomson sind schon länger vorbei. Weltberühmt wurde er in seiner Rolle als "Birdman", einem fliegenden Mann in Vogel-Kostüm, dessen Film sogar in zwei weiteren Teilen fortgesetzt wurde. Die Rolle verfolgt ihn jedoch bis heute, und so kommt es, dass Riggan Ratschläge seines alter ego "Birman" hört und gerne annimmt. Nun möchte der ehemalige Superheld die Ernsthaftigkeit seines schauspielerischen Könnens unterstreichen und wieder zu altem Ruhm kommen. Dazu hat er die Kurzgeschichte "What We Talk About When We Talk About Love" von Raymund Carver für die Bühne adaptiert, die nun, von seinem besten Freund Jake produziert, am Broadway gespielt werden soll. Die Regie übernimmt Riggan auch gleich selbst, die Hauptrolle sowieso.
Kurz vor der Premiere gibt es einen Unfall auf der Bühne, so dass schnellstens Ersatz für eine wichtige Nebenrolle gefunden werden muss. Auf Empfehlung von Lesley, die eine Nebenrolle in dem Stück spielt, wird der Broadway-Star Mike Shiner engagiert, der sich aber schnell als sehr schwieriger Charakter herausstellt und durch sein leidenschaftliches Spiel womöglich Riggan die Schau stehlen könnte. Die Situation verschäft sich zusätzlich, als Shiner ein Verhältnis mit Riggans Tochter Sam beginnt, die frisch aus einer Entziehungskur zurück gekehrt ist und am Theater als Produktions-Assistentin ihres Vaters arbeitet. Das allein wäre schon mehr als genug Aufregung, doch dann kündigt die einflussreiche Kritikerin Tabitha Dickinson einen Verriss des Broadway-Stücks an, und Riggan, der sämtliche Möglichkeiten des Social Media ablehnt, wird durch einen blöden Zufall zum Internet-Star. Keine guten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Comeback.

Der Film liegt auf DVD in der deutschen und der englischen Sprachfassung (Dolby Digital 5.1) vor und bietet an Bonus-Material lediglich ein gut halbstündiges Making Of sowie den Trailer.

An "Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)" ist vor allem spannend, dass die Hauptrolle mit Michael Keaton ideal besetzt wurde: Der hatte Anfang der 1990er Jahre weltweit große Erfolge als Superheld im schwarzen Umhang in zwei "Batman"-Verfilmungen von Tim Burton gefeiert, doch seit über 20 Jahren nach "The Paper - Schlagzeilen" keinen nennenswerten Erfolg mehr im Film-Business verbuchen konnte, sieht man einmal von Sprechrollen in Disney-Animationsfilmen ab. Die Besetzung sämtlicher Rollen in "Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)" ist ohnehin herausragend, neben Michael Keaton spielen Edward Norton, Naomi Watts, Andrea Riseborough, Amy Ryan, Emma Stone und Zach Galifianakis, und überzeugen durch den gesamten Film hindurch. Besondere Bekanntheit erhielt der Film durch seine außergewöhnliche Kameraführung, die den Film scheinbar fast ohne Schnitt eingefangen hat. Lediglich zum Ende hin sieht man deutlich einen harten Schnitt, die Szenen zuvor wurden digital aneinander gereiht, was zumindest eine Oscar-Nominierung hätte wert sein müssen. Dafür wurde neben dem Film, der Regie sowie der Kamera auch das Drehbuch während der diesjährigen Oscar-Verleihung mit einer goldenen Statuette bedacht, wobei die Geschichte teilweise schon sehr wirr erscheint, dass die Zuschauer Mühe haben, der Handlung zu folgen. Dies könnte aber auch den teilweise recht abenteuerlichen Kamerafahrten und den Einsagungen der Filmfigur "Birdman" geschuldet sein. Richtig nervig ist aber die Musik, so man sie so nennen möchte. Gleich zu Beginn des Films wird der Zuschauer mit einem nicht enden wollenden Schlagzeug-Solo genervt, das immer wieder aufkommt, und dessen Musiker sogar in einer kurzen Szene zu sehen ist. Hört man einmal kein Schlagzeug, gibt es klassische Musik auf die Ohren, die dem Hörnerv ebenso wenig schmeichelt. Zu ertragen ist das knapp zwei Stunden andauernde Epos eigentlich erst in der letzten halben Stunde, was auch daran liegen mag, dass man bis dahin aufgegeben hat, den Film verstehen zu wollen und sich nur noch berieseln lässt oder auch daran, dass endlich etwas passiert und das nervige Schlagzeug nur noch vereinzelt gespielt wird.

Der Ensemble-Film "Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)" ist eine Tour de Force für jeden durchschnittlichen Filmfan und von Anfang an nur schwer zu ertragen. Gibt man dem Film dennoch eine Chance, beeindruckt vor allem die scheinbar endlose Einstellung mit einer abenteuerlichen Kameraführung und die großartige Besetzung des Films. Doch auch Hardcore-Fans der Darsteller müssen sich durch den Film mühen, um deren Spiel bewundern zu können. Der Streifen ist eher hartgesottenen Filmfans und Cineasten zu empfehlen, die auch vor körperlichen Schmerzen nicht zurück schrecken.

Pascal May
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