Eines ist sicher: Der neue James Bond ist anders als seine Vorgänger. Dieser Bond trägt lieber ein T-Shirt oder ein Hemd mit offenem Kragen als einen Smoking. Nach einer Schlägerei hat er ein verbeultes Gesicht und blutet. Er fährt auch mal einen Mittelklasse-Mietwagen oder einfach nur mit der Bahn und er trinkt Champagner nur zu besonderen Anlässen. Zum ersten Mal darf Bond sogar schwitzen und Flecken auf seiner Kleidung haben. Er hat eine Schwäche für verheiratete Frauen und wenn er sich mit seiner Chefin „M“ streitet, hängt sein weiteres Verbleiben beim britischen Geheimdienst MI6 am seidenen Faden; er steigt nachts sogar in ihre Wohnung ein. Seinen brandneuen Aston Martin bewegt er nur ein einziges Mal, und dann auch nur kurz, sonst sucht er diesen Wagen lediglich zu lebensverlängernden Maßnahmen auf. Und es ist ihm sogar vollkommen egal, ob sein Wodka Martini geschüttelt oder gerührt ist.
Viel wurde über den neuen James Bond gerätselt und geschrieben, über den Darsteller wie auch über die Geschichte, die bereits 1956, damals noch nicht unter dem Franchise „007“, zum ersten Mal verfilmt wurde. Die Geschichte ist wie ihr neuer Darsteller: geradlinig und bodenständig. Vorbei das pseudo-aristokratische Getue und die diplomatischen Noten. Vorbei das nette Geplänkel mit der Chefin, wenn der Auftrag vergeben wird.Dieses Mal geht es nicht darum, die Welt zu retten, weil ein Bösewicht damit droht, den Planeten zu zerstören oder die Weltherrschaft zu übernehmen. Es geht um Geld, Macht und Poker. Und doch hält dieser neue Bond den Zuschauer mehr in seinem Bann als seine Vorgänger, was mitunter daher rührt, dass 007 fast gänzlich auf die sonst üblichen Gimmicks verzichtet und auch die zahlreichen Stunts „handgemacht“ sind. Obwohl der Film in der heutigen Zeit spielt, erfährt der Kinogänger erstmals, wie James Bond seine Doppel-Null-Lizenz erhalten hat, die Lizenz zu töten. Auch wird hier geklärt, wie das MI6 zum Aston Martin DB5 kam, der dann später verfeinert und in weiteren Bond-Filmen zu Einsatz kam, Der Bond-Fan wird bei „Casino Royale“ auf den schrulligen „Q“ verzichten müssen und „Miss Moneypenny“ wurde durch einen Mann ausgetauscht. Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren wird der Titelsong wieder von einem Mann interpretiert.Zur Beruhigung sei jedoch erwähnt, dass es auch weiterhin Bond-Girls gibt und den Agent ihrer Majestät auch weiterhin um den Globus jettet.
Bond-Darsteller Daniel Craig, der erste blonde 007 in der Filmgeschichte, ist kein Schönling wie die anderen Bond-Darsteller vor ihm, doch sein muskelbepackter Körper und seine stahlblauen Augen wird mit Sicherheit zahlreiche Frauen weltweit begeistern. Er ist ein Bond aus dem Leben, fast schon der James Bond von nebenan. Er traut niemandem, verliebt sich dennoch und denkt sogar über seinen Rückzug als Agent nach.
Die schöne Französin Eva Green spielt das zickige unterkühlte Bond-Girl Vesper Lynd, das sich in 007 verliebt, der dänische Schauspieler Mads Mikkelsen mimt den asthmatischen Bankier und Bösewicht „Le Chiffre“ und Judi Dench geht einmal mehr in der Rolle als „M“ auf, die den Kalten Krieg so sehr vermisst. Auch zwei deutsche Akteure dürfen wieder in einem Bond-Film mitspielen: Ludger Pistor und Jürgen Tarrach haben leicht dämliche Kleinstrollen übernommen, was wohl daran liegt, dass der Streifen teilweise mit deutschem Geld finanziert wurde.
Die Produzenten-Familie der erfolgreichsten Film-Serie der Welt hat der neue 007 bereits jetzt überzeugt: Daniel Craig wird auch im nächsten James Bond-Film die Hauptrolle übernehmen, was hoffen lässt, dass er den Anfang einer wiedererwachten Bond-Ära darstellt. Gut so.
Willkommen im 21. Jahrhundert, Mister Bond.
GB 2006, 141 Min, mit Daniel Craig, Eva Green
"James Bond 007 - Casino Royale" startet am 23.11.2006 in den deutschen Kinos.