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Simpel

Bei deutschen Filmen scheint es derzeit nur wenig Genre-Auswahl zu geben. Da ist auf der einen Seite das anspruchsvolle Autorenkino, auf der anderen Seite tumbe Klamotten, die zumeist in Berlin spielen, mit ewig gleichem Plott und Besetzung, die zumal aus der gleichen Familie kommt. "Simpel" macht hier eine erfreuliche Ausnahme, denn in diesem Streifen gibt es Anspruch gepaart mit Unterhaltung für die ganze Familie, und die auch noch herausragend gespielt. Jetzt gibt es diesen mehrfach ausgezeichneten Ausnahme-Film auch für das Heimkino.

Seit Ben denken kann, hat er kein leichtes Leben. Er kümmert sich. Um seine kranke Mutter, aber auch um seinen geistig behinderten Bruder Barnabas, den alle nur Simpel nennen. Als die Mutter stirbt, soll Simpel in ein Heim kommen, so hat es der Vater, der sich 15 Jahre zuvor abgesetzt hat, um eine neue Familie zu gründen, verfügt. Als die Polizei anrückt, um Simpel abzuholen, haut Ben mit seinem Bruder ab. Irgendwohin, am besten ans Meer, zu den Haien. Es beginnt eine irre Reise in die Großstadt Hamburg, wo sie auf die verschiedensten Menschen treffen, die meist einsam sind, und die ungleichen Brüder in ihre Herzen schließen. Doch die Polizei ist noch immer hinter ihnen her, und nur ihr Vater kann ihnen helfen.

Der Film liegt auf BluRay in der deutschen Sprachfassung (DTS-HD 5.1 Master Audio) vor. An Extras finden sich auf der blauen Scheibe Interviews mit Cast und Crew.

Mit "Simpel" ist Regisseur Markus Goller, der vor allem durch seine vorhergehenden Filme "Friendship" und "Frau Ella" bekannt wurde, ein herausragender Film gelungen. Die Rollen der ungleichen Brüder Ben und Simpel mit Frederick Lau und David Kross zu besetzen, erweist sich als ein absoluter Glücksfall. Dass beide Schauspieler deutlich älter als ihre Charakter sind, spielen sie mit Leichtigkeit weg, denn deren intensives Spiel überzeugt zu jeder Zeit. Vor allem David Kross verwandelt sich ganz und gar zu dem großen Bruder mit dem Gemüt eines Kindes, Frederick Lau identifiziert sich komplett mit dem kleinen Bruder, der sich immer um alles kümmern und so bisher noch nie ein eigenes Leben hatte.
Zu recht wurden diese beiden überragenden Schauspieler mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet.
Emilia Schüle ergänzt als Medizinstudentin und Retterin in der Not das Brüder-Duo mit ihrer leichten, aber nachdenklichen Art.
Dazu hat sich das who-is-who des deutschen Films versammelt, wenn auch die kleinsten Rollen von Darstellern wie Axel Stein, Annette Frier, Ludger Pistor, Devid Striesow, Claudia Mehnert, Tim Wilde oder Anneke Kim Sarnau übernommen werden.

Der Film basiert auf den Buch "Simple" der ausgezeichneten französischen Autorin Marie-Aude Murail, das bereits für das französische Fernsehen umgesetzt wurde. Für die deutsche Version wurde die Handlung nach Ostfriesland versetzt, was dem Film einen zusätzlichen Charme verleiht. Die Reise in die Stadt führt die ungleichen Brüder nach Hamburg, was dem Zuschauer gut tut, einmal nicht das durch unzählige Komödien abgenudelte Berlin sehen zu müssen.

Insgesamt ist "Simpel" ein herrlicher Film, ein ganz großes Stück deutsches Kino und rundum eine Wohlfühl-Geschichte, der es keinen Abbruch tut, wenn sie kein Happy End findet.
Der Film wurde sehr behutsam inszeniert, wird zu keiner Zeit peinlich, und ist durch die große darstellerische Leistung der beiden Hauptdarsteller ein echtes Filmjuwel geworden. So stellt man sich perfekte Familien-Unterhaltung vor!

Nachdem dieser herausragende Film, der unter anderem beim Shanghai Filmfestival gezeigt wurde, an der Kinokasse eher stiefmütterlich vernachlässigt wurde, kann ihm nun der große Erfolg im Heimkino zuteil werden, den er verdient!

Pascal May
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