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Judy

Biographien waren schon immer sehr beliebt, der Buchmarkt ist voller selbst oder fremdgeschriebener Einblicke in das Leben prominenter Menschen. Nicht erst seit "Bohemian Rhapsody" erfreut sich auch das Kino dieses Genres. Nach Freddy Mercury im vergangenen Jahr, gab es 2019 ein knallbuntes Bio-Pic über Elton John zu sehen, und das neue Jahr beginnt fulminant mit der verfilmten Biographie der US-amerikanischen Entertainerin Judy Garland.

Bereits im zarten Alter von 16 Jahren war Judy Garland ein Weltstar, als sie die Dorothy in "Der Zauberer von Oz" spielte und das Lied "Over The Rainbow" sang. Doch in diesem Alter hatte sie längst ihr Leben in fremde Hände gegeben, in allem war sie nur noch fremdbestimmt und durfte nichts tun, was Mädchen in ihrem Alter taten. Sie durfte nicht zunehmen und deswegen nur Suppe essen. Konnte sie nicht schlafen, bekam sie Tabletten, tagsüber gab man ihr Aufputschmittel. Sie galt beim Drehen als schwierig, doch wollte sie einfach nur sie selbst sein.

Nach vier gescheiterten Ehen, sind die USA ihr überdrüssig geworden. Durch ihre Drogen- und Alkoholsucht ist sie nicht mehr vermitelbar, nicht buchbar, nicht versicherbar. Gesundheitlich und finanziell am Ende, wird ihr das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder entzogen.
Um wieder auf die Beine zu kommen, nimmt sie ein großes Engagement in London an, da die Briten sie vergöttern. Fünf komplett ausverkaufte Konzertwochen sollten es im Winter 1968 werden. Im prominenten West End-Theater "The Talk of the Town" erwarten sie ihre Fans, doch Miss Garland möchte nicht einmal mit ihrer Band proben. Ihre Stimme hat an Strahlkraft verloren, nachdem sie durch einen Luftröhrenschnitt Selbstmordversuch überlebte. Doch eines hat sich nicht geändert, sie ist ganz die Diva geblieben, und auch ihr feiner Sinn für Humor ist ihr geblieben. Selbst ihr Traum von der einen großen Liebe scheint nach vier Ehen noch immer ungebrochen und so stürzt sie sich in eine wilde Romanze mit Mickey Deans, ihrem zukünftigen fünften Gatten. Die Konzerte verlaufen aber nicht ganz so, wie es sich der Veranstalter gewünscht hätte.

Um eines vorweg zu nehmen: Renée Zellweger spielt nicht Judy Garland, sie taucht ganz in ihre Rolle ein und erweckt die große Entertainerin zum Leben! Kein Wunder, dass sie jetzt schon für ihren nächsten Oscar gehandelt wird.
Zu Beginn des Films spielt Zellweger die liebevolle Mutter, eine zerbrechliche Seele, einen ausgelaugten Menschen. Doch spätestens als sie Judy Garland zum ersten Mal auf die Bühne bringt, scheint sie vor Energie zu explodieren und bietet eine schauspielerische Leistung, dass man meinen könnte, einen Auftritt der echten Judy zu sehen.
Jeder Blick, jede Geste sitzt, ihr Gang, ihr verzweifeltes Lächeln, alles genau wie damals Judy. Sie ist ganz und gar die liebevolle Mutter, die sich so sehr wünscht, in Ruhe mit ihren Kindern leben und alt werden zu dürfen, genau so wie sie den exzentrischen, vom Erfolgsdruck angetriebenen Bühnen-Profi gibt.
Regisseur Rupert Goold, der bisher vornehmlich Shakespeare inszeniert hat, hat Zellweger dazu überredet, alle Judy Garland-Songs im Film selbst zu singen. Und er hat gut daran getan, denn so wirkt die Leinwand-Judy noch explosiver, magischer, echter.

In Nebenrollen ist unter anderem Jessie Buckley zu sehen, die die engagierte und manchmal auch sehr verzweifelte Produktionsassistentin Rosalyn Wilder spielt. Daneben spielen Finn Wittrock ihren fünften Ehemann Mickey Deans, Rufus Sewell ist als Judys Ex-Ehemann Sidney Luft, der das alleinige Sorgerecht für die Kinder erstreiten möchte, Bella Ramsey als Tochter Lorna Luft, Gemma-Leah Devereux als älteste Tochter Liza Minnelli sowie Michael Gambon als gnadenloser Filmproduzent Bernard Delfont.
Das großartige und sehr nuancierte Drehbuch, das auf dem Musik-Drama "End of the Rainbow" basiert, stammt aus der Feder von Tom Edge, der auch schon Bücher für die TV-Serien "The Crown" und "Lovesick" verfasst hat.

Ganz sicher gehört Renée Zellwegers Rolle der Judy Garland zum intensivsten Spiel, das man in letzter Zeit auf der großen Leinwand gesehen hat. Und genau macht diesen Film so besonders: Es ist die Magie, die die Oscar-prämierte Mimin schafft, vor allem wenn sie singt.

In kleinen Rückblenden sind immer wieder Szenen der jungen Judy rund um ihren 16. Geburtstag zu sehen, was den Film nur noch stimmiger macht, und ihre frühen Abhängigkeiten, Härten im Leben und Probleme thematisieren.
Auch wurde Garlands schwule Fangemeinde bedacht, in dem zwei fiktive schwule Fans in die Handlung aufgenommen wurden.

"Judy" gehört ganz klar zu den großartigen Kinohighlights und großen Kinomomenten der vergangenen Jahre, und das nicht nur für Fans. Diese Biographie, der bereits mit 47 Jahren verstorbenen Entertainerin, ist bemerkenswert und wundervoll zugleich, magisch und mitreißend, beeindruckend und umwerfend.

Pascal May
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