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Brackwasser

Nie wieder wollte Svea in ihre Heimat zurückzukehren. Damals, vor über 20 Jahren, verschwand Sveas beste Freundin Julia nach einem Sommerfest, ohne jegliche Spur. Seitdem ist der kleine Ort an der Schlei für sie mit fürchterlichen Erinnerungen verbunden. Aber Svea hat nun das Haus ihres dort ansässigen Onkels Sören geerbt. Dieser soll sich das Leben genommen haben, nachdem nun nach Jahren von Julia Leichenteile tief im Wald versteckt gefunden wurden. Für viele im Dorf ist nun klar, wer Julias Mörder gewesen ist, aber Svea hat allen Grund, an dessen Unschuld zu zweifeln. Für sie kommt nur ihr Schwager als Mörder in Frage, denn er war damals mit ihrer Freundin Julia zusammen. Er kennt sich in den Wäldern bestens aus und sie traut ihm solch eine Tat zu. Das Problem ist, dass dieser Schwager, ein überzeugter Prepper namens Erik, schon lange mit Sveas Schwester verheiratet ist und sie zusammen zwei Kinder haben. Doch Sveas Schwester Finja misstraut ihr zutiefst und Svea kann sich nicht mehr erinnern, was damals in jener Nacht vor Julias Verschwinden genau passiert ist. Ihr begegnet von allen Seiten Misstrauen. Selbst Julias Mutter Gemma scheint die Vergangenheit nicht loszulassen und auch sie hat vermutlich etwas zu verbergen. Ihr Neffe benimmt sich ebenfalls recht feindselig. Svea weiß, dass die Zeit eilt und sie schnell handeln muss, um die damaligen Ereignisse aufzudecken, ohne Rücksicht auf eigene Verluste.

Die Autorin Jana Stieler volontierte nach Abschluss ihres Studiums bei den Kieler Nachrichten und lernte dabei den Norden mitsamt seinen Abgründen kennen und lieben. Sie arbeitete mehrere Jahre als Zeitschriftenredakteurin und schrieb in dieser Zeit nach Feierabend ihre ersten Romane. Fasziniert von dem Drang, menschliche Abgründe besser zu verstehen, machte sie außerdem noch einen Bachelor in Psychologie. Heute lebt sie als freie Autorin mit ihrer Familie in Hamburg. Freie Tage verbringt sie draußen in der Natur, am liebsten mit Küstenwanderungen oder im Kajak auf der Schlei. Um einerseits neue Energie zu tanken und anderseits diese auch als Inspirationsquelle zu nutzen.

Dieser Psychothriller, mein erster von Jana Stieler, ist äußerst spannend und überzeugt durch die vielen verschiedenen Charaktere. Durch das ganze Buch hinweg erzählen die einzelnen Figuren aus ihrer Perspektive ihre eigene Wahrnehmung über die betroffenen Personen, was die ganze Sache besonders interessant macht. Dadurch erhält man Stück für Stück Einblicke in die verschiedenen Familien, die in irgendeiner Weise mit Julia in Verbindung stehen oder standen. Mit ihrem klaren, flüssigen und angenehm zu lesenden Schreibstil schafft es Jana Stieler, der Erzählung Dynamik und Tiefe zu verleihen. Als Leser fiebert man selber mit und taucht tief in die Psyche der Betroffenen ein. Die handelnden Personen wirken total authentisch und entwickeln sich glaubwürdig. Die düstere Schilderung des abgeschiedenen Lebens in den Wäldern an der Schlei in Verbindung mit den ungewöhnlichen und unglücklichen Lebenssituationen ziehen einen zusätzlich in den Bann. Ein Psychothriller, der durchgehend über 368 Seiten spannend und mitreißend zugleich ist und durch die Geschehnisse mit vielen unerwarteten Wendungen den Leser fesselt und dadurch nicht mehr so schnell loslässt. Daher ist es kein Wunder, dass man auch bis zum Schluss öfter in die Irre bezüglich des Täters geführt wird, eh dann am Ende doch alles logisch und glaubhaft aufgelöst wird.
Für mich ein sehr gut gelungener Lesestoff und ich bin schon sehr gespannt auf den nächsten Thriller der Autorin.

Andrea Müller
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