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Rabenkinder

10.11.1989, ein Tag nach dem Fall der Mauer: Im Jugendwerkhof in Torgau, einer kleinen Stadt an der Elbe, in der ehemaligen DDR, findet der Hausmeister die Leiche des Direktors. Es sieht alles danach aus, als ob er sich erhängt hätte. Der Jugendwerkhof ist ein Erziehungslager für Jugendliche, denen man in den normalen Heimen nicht mehr Herr wird. Bis vor Kurzem waren dort noch Gitter vor den Fenstern angebracht.
Beate Vogt, die erst kürzlich in den Innendienst der Polizei beordert wurde, und ihr Kollege Lehmann sollen sich die Leiche genauer ansehen. Steffen, der junge Kriminaltechniker, ist bereits vor Ort. Lehmann weist immer wieder darauf hin, dass die Todesursache Selbstmord sein muss. Steffen aber sieht das anders und bei genauerem Betrachten der Leiche weisen weitere Spuren darauf hin, dass es sich um keinen Selbstmord handeln kann.
Beate sieht sich um und will die anwesenden Jugendlichen befragen. Es sind nur noch Tanja, Andreas und Maik da. Als Beate sie befragen will, bekommt sie nur noch mit, dass Maik abgehauen und nicht mehr auffindbar ist. Der vierzehnjährige Andreas und die siebzehnjährige Tanja können oder wollen dazu nicht viel sagen. Kurz bevor die beiden Jugendlichen in die anderen Heime verteilt werden, sind auch sie verschwunden. Andreas und Tanja flüchten nach Torgau in die Wohnung des getöteten Direktors. Diese Wohnung ist keinem bekannt, denn sie wurde stets genutzt, wenn er mit den Jugendlichen alleine sein wollte und keiner etwas davon wissen sollte. Die beiden fühlen sich trotzdem immer beobachtet. Tanja geht doch noch zu ihren Eltern, die sie erfreut aufnehmen, aber Andreas' Mutter will ihn nicht und so versteckt er sich.
Beate Vogt und ihr neuer Kollege Josef Almgruber, frisch aus Bayern zuversetzt, sind jetzt auf der Suche nach den Jugendlichen, denn sie müssten mehr wissen, als sie gesagt haben. Beate hat ihre Schwierigkeiten mit Josefs westlichen Methoden, die sie erlernen soll, und an die sie sich erst noch gewöhnen muss. Ebenso muss sich Josef erst an die Strukturen der DDR gewöhnen, von denen er keine Ahnung hat. Die beiden wissen aber, dass sie nur mit Hilfe von Andreas und Tanja den wahren Mörder finden können. Als die beiden Ermittler erfahren, dass Andreas entführt wurde, weil er zu viel wusste, setzen sie alle Mittel in Bewegung, um ihn zu finden.

Grit Poppe wurde am 25. Januar 1964 in Boltenhagen als Tochter des Physikers und Bürgerrechtler Gerd Poppe geboren. Nach der Scheidung der Eltern besuchte sie in Potsdam die Schule und machte danach eine Ausbildung zur Sekretärin. Sie arbeitete im DEFA-Studio für Spielfilme und arbeitete später an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam. Zu Wendezeiten engagierte sie sich in der „Bürgerbewegung Demokratie“ und war bis 1992 Geschäftsführerin der Vorreiter „Bündnis 90“ für das Land Brandenburg. Von 1984-1988 studierte sie am Literaturinstitut in Leipzig. Sie schreibt Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Sie lebt mit ihrem Sohn und ihrer Tochter in Potsdam.

Dieser Wende-Krimi ist nicht nur spannend, sondern auch geschichtlich sehr interessant, und gibt einen guten Einblick darin, was in der DDR mit den Jugendlichen geschehen ist, die nicht der Norm entsprachen, vor allem unter welchen unmenschlichen Bedingungen die Jugendlichen festgehalten und behandelt wurden. Dazu kommen all die Wirren, die nach dem Fall der Mauer herrschten, aber auch, wie eine Zusammenarbeit von Ost und West mit all ihren Marotten erzwungen wurde. Der Fall hat mich sofort fasziniert und ich hatte schon eine gewisse Vorstellung, wie es dort ausgesehen hat. Ich litt mit den Jugendlichen mit, denen eh niemand glaubte und die kein Vertrauen mehr in die Erwachsenen hatten. Ich finde diesen Krimi spannend, lehrreich und auch nachdenklich in jeglicher Hinsicht.

Gudrun Loher
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