Als Mario Puzo 1969 seinen Roman „Der Pate“ veröffentlichte, konnte noch niemand ahnen, welchen Welterfolg er damit schaffen würde. Das Buch wurde über 21 Millionen Mal verkauft, Francis Ford Coppola verfilmte das Buch, zu dem Puzo auch das Drehbuch verfasste und dafür mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Coppola ließ dem Film noch zwei Fortsetzungen folgen und heimste für seine Trilogie insgesamt neun Oscars ein. Erstmals in der Geschichte der Oscars konnte eine Fortsetzung ebenfalls die Trophäe für den besten Film gewinnen.
Die fiktive Geschichte der Familie Corleone, die dem gleichnamigen Dorf auf Sizilien entstammt, ließ den Mafia-Alltag sehr realistisch erscheinen, der mitunter sehr dramatisch und brutal dargestellt wurde. Letztlich wurde der Aufstieg der Corleones sehr romantisch dargestellt.
Erst im Jahr 2006 rüttelte erneut ein Buch über die Mafia die Welt auf, doch gab es einen großen Unterschied zu Puzos Geschichte: In „Gomorrha“, dessen Geschichte in Neapel spielt, waren die Figuren an realen Menschen angelehnt. Der Autor und Journalist Roberto Saviano lebte selbst in Neapel und beschreibt in seinem Buch die mafiösen Verwicklungen der Camorra in seiner Heimatstadt, und beschreibt darin ganz offen, wie tief die süditalienische Gruppierung in das tägliche Leben verstrickt ist: Neben dem Drogenhandel hat sie den Zementhandel fest in ihrer Hand, ebenso verdient sie gut beim Herstellen gefälschter Markentextilien oder dem Verschieben von Giftmüll. Wer sich ihr in den Weg stellt, wird ermordet.
Das Buch „Gomorrha“ verkaufte sich weltweit über zehn Millionen Mal, wurde bisher in 51 Sprachen übersetzt und gilt als wegweisend in der Beschreibung der Mafia.
Doch mit dem Erfolg kamen auch die negativen Seiten: Der Autor, der für die Zeitschrift „L'Espresso“ arbeitet, wurde wegen seines Buchs mehrfach mit dem Tode bedroht, erhält seit 2006 Personenschutz und lebt seit dem versteckt, wobei er zum Schutz vor der Mafia alle zwei Tage seinen Aufenthaltsort wechselt, Fluglinien weigern sich, ihn zu befördern.
2008 wurde das Buch unter dem Titel „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ verfilmt, wobei viele Rollen an Laiendarsteller vergeben wurden, um authentischer zu wirken. Darin wird ebenso wie im Buch ungeschönt die Realität der mafiösen Strukturen und das Leben in den neapolitanischen Vororten gezeigt. Der Film, der während der Filmfestspiele in Cannes seine Weltpremiere feierte, erhielt unter anderem den Europäischen Filmpreis als bester Film sowie eine Oscar-Nominierung für den besten ausländischen Film. Ein großer Erfolg an den Kinokassen blieb jedoch aus.
Der Stoff, den Roberto Saviano unter anderem verdeckt als Hafenarbeiter sammelte, ließ ihn ein weiteres Buch über die Machenschaften des Casalesi-Clans schreiben, das wieder ein großer kommerzieller Erfolg wurde.
2014 wurde „Gomorrha“ ein weiteres Mal verfilmt, dieses Mal aber als von Sky Italia produzierte Serie, und plötzlich war der große Erfolg da: Weltweit verfolgen die Fans der Serie die Geschichten aus Neapel. In insgesamt 58 Folgen in fünf Staffeln wird die Geschichte der Familie Savastano erzählt.
Die Serie beginnt damit, dass Pietro, der Boss des Clans und Vater von Genny, einen Anschlag auf eine rivalisierende Familie befiehlt, der zu einem Krieg zwischen den beiden Familien führt. Durchgeführt wird der Anschlag von Ciro, die rechte Hand von Pietro. Als Kind hat Ciro ein Erdbeben überlebt und wird seitdem „der Unsterbliche“ genannt. Ciro soll Pietros Sohn Genny auf seine Aufgaben als künftiger Kopf des Clans vorbereiten, doch dem liegt eher das schöne Leben mit Party, Drogen und schönen Frauen. Als Pietro ins Gefängnis kommt, übernimmt dessen Frau Imma die Geschäfte, die jedoch Ciro misstraut. Im weiteren Verlauf der Serie wird Pietro aus dem Gefängnis befreit und muss sich verstecken. Ciros Einfluss innerhalb des Clans schwindet, weil ihm Genny immer mehr Befugnisse entzieht. Genny sieht seinen Platz inzwischen im deutlich lukrativeren Immobilien- und Drogenhandel in Rom und möchte mit seiner alten Heimat nichts mehr zu tun haben. Ciro muss sich um seine Sicherheit wie auch um die Sicherheit seiner Familie kümmern, nachdem die Spaltung des alten Clans immer deutlicher wird. Patrizia, die Pietro immer eine gute Helferin war, steigt im Clan auf und genießt Pietros volles Vertrauen. Ciro und Genny raufen sich wieder zusammen und übernehmen eine kleine Gruppe um den „Hochwohlgeborenen“ Enzo, um ihre Reviere in Neapel zurückholen zu können. Die alten Mafiosi sind fast alle tot oder haben sich zurückgezogen, und so übernehmen immer mehr junge Mitglieder der Gruppe Verantwortung. Nach all den Jahren im Unter- und Hintergrund, möchte Genny endlich den Ruhm für seine Arbeit ernten und ins Rampenlicht vorrücken. Daher möchte er sein Geld waschen, zusätzliche Investoren gewinnen und einen Flughafen bauen. Daneben ermöglicht ihm der Flughafen einen besseren Transportweg für illegale Waren, insbesondere Drogen. Doch der Weg in die Legalität ist deutlich steiniger als er es sich erhofft hatte.
Nach Abschluss der vierten Staffel, wurde der Film „The Immortal“ veröffentlicht, der zwischen dem Neapel der 1980er Jahre nach dem Erdbeben und dem Riga von heute spielt. Der Film ist ein fortwährender Dialog zwischen Ciros Vergangenheit als Waise und seiner Gegenwart im Exil – im Baltikum, Tausende von Kilometern von seiner Heimat entfernt. Von seinen ersten kleinen Diebstählen bis zum neuesten Bandenkrieg: Er stellt sich allem, was ihm in den Weg kommt, in einer Welt, in der Unsterblichkeit nur eine weitere Form der Verdammnis ist.
„The Immortal“ ist nicht nur ein eigenständiges Filmwerk, sondern auch ein neues Kapitel, das vollständig in der Serie „Gomorrha“ integriert ist.
Nun ist auch die fünfte und letzte Staffel von „Gomorrha“ für das Heimkino verfügbar, das große Finale lief zu Weihnachten bei Sky Italia.
Der Krieg zwischen den Levantes und Patrizia hinterließ Neapel in Schutt und Asche, was Genny Savastano dazu veranlasst hat, ins Spiel zurückzukehren und die Ordnung wiederherzustellen. Die Polizei ist ihm auf den Fersen und er muss sich in einem kleinen Bunker verschanzen - allein, ohne Azzurra und seinen kleinen Sohn Pietro. Sein einziger Verbündeter ist nun 'O Maestrale, der skrupellose Verbrecherboss aus Ponticelli, einem östlichen Stadtteil von Neapel. An seiner Seite bereitet sich Genny auf einen neuen Krieg gegen die noch lebenden Feinde vor. Währenddessen hält sich Ciro Di Marzio, der für tot gehalten wurde, gesund und munter in Riga auf. Als Genny davon erfährt, ist er schockiert und reist sofort nach Lettland auf der Suche nach Antworten. Nach einem Jahr der Stille stehen sich die beiden wieder gegenüber und alles wird sich für Genny und Ciro ändern. Tausende Kilometer von zu Hause entfernt, spüren sie jetzt, da sie wieder vereint sind, den Ruf Neapels. Die Stadt ist ohne König und es wird noch mehr Schlachten und Blut brauchen, um zu entscheiden, wer wieder auf ihrem Thron sitzen darf.
Die finale Staffel wie auch der Film begeistern weltweit ihre Fans, wie es die Geschichten um Ciro und Genny vier Staffeln getan haben. Wo „Gomorrha“ drauf steht, ist auch „Gomorrha“ drin, und so gibt es auch hier wieder eiskalte Gewalt, Intrigen und Überraschungen satt, bis es zum furiosen Finale kommt.
Die Geschichten von „Der Pate“ und „Gomorrha“ ähneln sich: In beiden Fällen kommen die Väter aus kleinen Dörfern, bauen eine starke Gruppierung auf und übergeben die Führung an den Sohn. In beiden Fällen streben die nach einem normalen Leben und möchten ihre Geschäfte legalisieren, zumindest nach außen. Doch „Der Pate“ ist reine Fiktion, „Gomorrha“ ist die harte Realität unter anderem Namen.
Auch wenn es schade ist, sich nun von den bekannten Gesichtern der Savastanos verabschieden zu müssen, so hat Sky Italia den richtigen Zeitpunkt für die finale Staffel gefunden und der großartigen Serie einen würdigen Schluss bereitet.
Ciao, Gomorrha!
I 2019, 111 Minuten (The Immortal)
I 2021, 485 Minuten (Gomorrha Staffel 5)
mit Salvatore Esposito, Marco D'Amore