Wir schreiben das Jahr 1893 in Wien. Im Prater wird die Leiche einer Dienstmagd gefunden, die ermordet und gepfählt wurde. Damit beginnt eine ganze Serie von Pfahl-Morden, bei denen Leopold von Herzfeldt, ein junger Inspektor aus Graz, der neu in der Stadt ist, bei den Ermittlungen mithelfen soll. Mit seinen neumodischen Ermittlungsmethoden und den dazugehörigen Tatortanalysen macht er sich keine Freunde unter den Kollegen und wird deshalb mit einem anderen Fall betraut. Dadurch kommt er in Kontakt mit Augustin Rothmayer, der Totengräber auf dem berühmten Wiener Zentralfriedhof ist. Rothmayer eher absonderlich wirkend, ist ein hochgebildeter Kauz und schreibt gerade den ersten Almanach für Totengräber. Auch wenn er eigenwillig erscheint, so ist er dennoch der beste seiner Zunft, da er jede Todesart und Verwesungsstufe kennt. Als er ermittlungsbedingt Besuch von Leopold von Herzfeldt bekommt, fühlt er sich eher in seiner Ruhe gestört. Herzfeldt jedoch braucht schließlich einen Experten auf diesem Gebiet, da mittlerweile mehrere Dienstmädchen ermordet und jedes von ihnen brutal gepfählt wurde. Der Totengräber weiß, dass das Pfählen eine uralte Methode ist, um Untote unter der Erde zu halten. Zudem weiß er auch, dass es fast für jeden Aberglauben auch eine wissenschaftliche Erklärung gibt. Doch in der Polizeidirektion findet Herzfeldt kein Gehör, niemand will ihm zuhören und von seinen Erkenntnissen etwas wissen. Außer die junge Mitarbeiterin Julia Wolf, die von den Kollegen spöttisch „Lämmchen“ genannt wird. Tagsüber die brave Angestellte, taucht sie nachts in die verruchte Halbwelt des 16. Bezirks ein und ist daher eher eine Wölfin im Schafspelz. Dort ist auch ihr eigentliches zuhause und ihr großes Geheimnis, von dem niemand etwas erfahren darf. Leopold ahnt von alldem nichts und ist voll beschäftigt mit der Frage, ob in Wien ein abergläubischer Serientäter umgeht. Zusammen mit dem Totengräber beginnt er zu ermitteln, um dann festzustellen, dass sich in der glamourösen Weltstadt Wien tiefe Abgründe auftun und er keinerlei Ahnung hat, worauf er sich da einlässt.
Oliver Pötzsch, geboren 1970, arbeitete nach erfolgtem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Als Autor lebt er heute mit seiner Familie in München. Weit über die Grenzen Deutschlands hinaus wurde er mit seinen historischen Romanen bekannt. Sein 2008 erschienener Roman „Die Henkerstochter“ wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Die Bände der „Henkerstochter“-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.
Da ich bisher von Oliver Pötzsch noch nichts gelesen hatte, ist „Das Buch des Totengräbers“ mein Einstiegsbuch. Und schon nach den ersten Seiten fragte ich mich, warum ich nicht schon früher auf den Autor aufmerksam geworden bin. Meiner Meinung nach passt da einfach alles. Tolle Story, spannungs- und wendungsreicher Aufbau, interessante Charaktere und auch das historische Rahmenpaket, einfach klasse! Als Kapiteleinleitung immer wieder mal Auszüge aus dem Almanach des Totengräbers anzuführen, ist für mich ein weiterer Pluspunkt dieses Romans, da damit nicht nur eine gewisse Abwechslung, sondern auch interessante Einblicke in diese Materie gegeben werden. Abgerundet wird das Ganze noch durch einen Stadtplan Wiens um 1893 sowie des Zentralfriedhofs im vorderen inneren Einband und durch ein Kurzinterview mit dem Autor zu den zwei Hauptfiguren sowie dem Zentralfriedhof im hinteren inneren Einband.
Aus all diesen Gründen sind die 448 Seiten leider viel zu schnell gelesen. Für Krimileser mit historischem Bezug eine absolute Pflichtlektüre, aber auch jeder andere Krimifreund darf und sollte durchaus auch zu diesem Buch greifen. Hoffe, dass bald Nachschub von Oliver Pötzsch zu dieser Serie kommt, den ich mir sicherlich nicht mehr entgehen lassen werde.
448 Seiten, Ullstein Paperback Verlag, 16,99 Euro