Amnesie ist mit Sicherheit die schlimmste Art einer seelischen Erkrankung. Man verliert seine Identität und lebt mit der Ungewissheit, ob man sich irgendwann wieder an sein früheres Leben erinnern kann.
Diesem Problem muss sich die Hauptfigur in Sebastian Fitzek’s neuestem Meisterwerk „Der Seelenbrecher“ stellen. Der namenlose Unbekannte wird kurz vor Weihnachten vor den Toren einer renommierten Klinik auf dem Teufelsberg in Berlin gefunden. Halb erfroren nimmt man ihn auf, der ehrgeizige Chefarzt hält die Amnesie des Mannes, der von den Bewohnern und den Pflegern Caspar genannt wird, für ein optimales Studienobjekt. Nach einigen Tagen in der Klinik wird Caspar von der Ärztin Sophia mit einem Foto konfrontiert, das neben dem Mann gefunden wurde. Caspar meint sich zu erinnern, dass es sich dabei um seine Tochter handeln könnte und beschließt, noch in der gleichen Nacht die Klinik heimlich zu verlassen, um sich auf die Spur des Fotos zu begeben.
Doch bevor er seinen Plan in die Tat umsetzen kann, wird er von einem plötzlich einsetzenden Blizzard und einem, in der Klinikauffahrt verunglückenden Krankenwagen aufgehalten. Aus dem Krankenwagen wird ein als Dr. Bruck bekannter Neuropsychologe mit einem Messer im Hals eingeliefert. Was ist nur mit dem Arzt passiert? Da der Sturm immer schlimmer wird, wird Dr. Bruck in der Klinik behandelt und stationär aufgenommen. Caspar, der noch immer seinen Fluchtplan verfolgt, ist gerade dabei seine Sachen zu packen, als er von dem debilen Linus mit aufgeregtem, unsinnigem Gebrabbel zum Mitkommen aufgefordert wird. Sie finden Sophia in einem wachkomaartigen Zustand in der Badewanne von Dr. Brucks Zimmer, der Arzt ist spurlos verschwunden. Ist Dr. Bruck etwa der zurzeit am meisten gesuchte Verbrecher mit dem Spitznamen „Seelenbrecher“, der seine Opfer ohne körperliche Gewalt in dem komaähnlichen Zustand zurücklässt, aus dem noch keines der drei Opfer wieder aufgewacht ist?
Als man auf einem der Balkone den Neuropsychologen sichtet, wird in Panik die Notverriegelung der Klinik heruntergefahren und schon sind Bewohner und Angestellte in dem Gebäude eingeschlossen. Man wähnt sich in Sicherheit und versucht erst einmal die arme Sophia zu versorgen, die wie eine leblose Puppe wirkt und überlegt, wie man die nächsten Stunden bis zur eintreffenden Frühschicht verbringt. Da die Telefonanlage tot ist, kann man keine Hilfe rufen. Als man feststellt, dass Linus verschwunden und auch der Chefarzt der Klinik nicht mehr auffindbar ist, wird den Menschen in der Klinik schnell klar, dass sie sich nicht in Sicherheit befinden, sondern mit dem mutmaßlichen „Seelenbrecher“ eingesperrt sind. Nach und nach verschwinden immer mehr der Insassen und der verbliebene Rest kämpft verzweifelt ums Überleben. Was will Dr. Bruck und welche Rolle spielt dabei Sophia, an die er immer wieder versucht heranzukommen, und vor allem: wer ist Caspar in Wirklichkeit?
Sebastian Fitzek ist es einmal mehr gelungen, einen grandiosen Psychothriller abzuliefern. Bis zum Schluss ist es nahezu unmöglich auf die Lösung des Rätsels zu kommen. Ganz besonders erwähnenswert sind die Querverweise auf einen seiner früheren Romane „Die Therapie“, welche dem Buch wirklich den Rang eines Bestsellers der Extraklasse verleihen. Für alle Freunde von Computerspielen ist als Schmankerl ein geheimnisvoller Post-it in dem Buch enthalten, dessen Spur man unbedingt verfolgen sollte.
"Der Seelenbrecher", Sebastian Fitzek; 368 Seiten; Verlag Droemer/Knaur; 7,95 Euro.